PorträtEin junger Mann mit vielen Talenten

Wer mit geschlossenen Augen vor Léo Darbellay sitzt, wenn dieser zu «Love me tender» von Elvis Presley ansetzt, glaubt wahrhaftig, den King of Rock’n’Roll vor sich sitzen zu haben. Die markante und breite Stimme der Musiklegende stimmt bis ins letzte Detail. Léo Darbellay hat aber noch viel mehr drauf. Er ist Imitationskünstler und zählt inzwischen etwa 50 Sänger zu seinem Repertoire, deren Lieder er originalgetreu oder auch mit leicht modifiziertem Text in seine Shows einfliessen lässt.

 

Léo Darbellay hat ein Lied von Jean Ferrat anlässlich der Coronakrise neu interpretiert.

 

 

 

Fasziniert von der Musik des Chansonniers, versuchte er zunehmend, sein Idol nachzuahmen. Am nächsten Weihnachtsfest stellte er seiner Familie dann zum ersten Mal in Anzug und roter Fliege seine Version des Hits «Chanson populaire» vor. «Sie waren begeistert und haben mich ermuntert, weiterzufahren. Also fing ich an, auch Grössen wie Renaud, George Brassens oder Raphaël zu imitieren», fügt er hinzu. So erhielt das junge Talent mit elf Jahren bereits die Möglichkeit, an Benefizabendessen oder an Vereinsabenden in der Region für Unterhaltung zu sorgen. Dort hat er jeweils drei bis vier Lieder von berühmten Künstlern vorgetragen, allerdings eher zusammenhanglos und ohne konkrete Linie.

 

Da ich damals noch nicht wusste, wie das Internet funktioniert, konnte ich mir die Songtexte nirgends besorgen.

 

Alles begann im zarten Alter von acht Jahren, als er von seinen Eltern seine erste CD, ein Best-of-Album des französischen Sängers Claude François erhält. Dieses hörte er sich in Dauerschleife an. «Da ich damals noch nicht wusste, wie das Internet funktioniert, konnte ich mir die Songtexte nirgends besorgen. Also hat meine Schwester fortlaufend die Stop-Taste gedrückt, so dass ich die Texte in Ruhe niederschreiben konnte», blickt Léo Darbellay amüsiert zurück.

 

Später, während seiner Lehrzeit zum Fachmann Information und Dokumentation in der Mediathek in Martinach erhielt er von der Sekundarschule in Orsières, die er selbst besucht hatte, eine Anfrage, um an der Schulabschlussfeier aufzutreten. Diese Gelegenheit nahm er dann auch wahr. Ein an der Schule unterrichtender Lehrer, Youri Silian, riet ihm nach dem Auftritt, einen roten Faden in seine Shows einzubringen. Léo Darbellay fand dies an und für sich eine gute Idee. Er brauchte aber jemanden, der ihn coachen konnte. Diesen Coach fand er schliesslich in Youri Silian.

 

 

 

 

Aller Anfang ist nicht immer schwer

Nun ging es für Léo Darbellay nach seiner bestandenen Abschlussprüfung erst einmal für sechs Monate nach Brighton, wo er an einer Sprachschule seine Englischkenntnisse aufbesserte. «Ich wollte auch Lieder von englischen Künstlern nachsingen können. Das ging aber nur mit einem besseren Wortschatz. Manchmal tut es ganz gut, seine eigene Sprache weniger zu hören und zu sprechen. Denn plötzlich hatte ich ganz viele Ideen für meine Texte und Sketche, allesamt basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen. Es ging um meine Lehrzeit, den Sprachaufenthalt und auch die Beziehung zu Mädchen», führt er mit einem Schmunzeln aus.

 

Plötzlich hatte ich ganz viele Ideen für meine Texte und Sketche, allesamt basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen.

 

 

Diese Ideen hat er dann seinem Coach zurückgeschickt, der sie gegengelesen und mit seinen Inputs versehrt hat. So entstand zwischen 2014 und 2015 Léo Darbellays erste One-Man-Show «En haut de l’affiche». «Nach meiner Rückkehr aus England ging alles relativ schnell. Innert kürzester Zeit haben wir meinen Auftritt in der Mehrzweckhalle von Liddes organisiert. Dieser war ein Erfolg, der Saal war voll. Durch Medienberichte und Mund-zu-Mund-Propaganda kam es, dass wir schliesslich innerhalb von drei Jahren 100 Shows an verschiedenen Orten gespielt haben, was für uns eine enorme Zahl war», sagt der sympathische Mann.

 

 

 

Da war es von Vorteil, dass er sein Arbeitspensum bei der Mediathek Martinach, in der er nach seinem Sprachaufenthalt wieder eine Anstellung fand, auf 50 Prozent reduzieren konnte. «Dies gab mir die Möglichkeit, mich mehr meinen Vorführungen zu widmen und dieses Hobby auf eine seriösere Stufe zu hieven. 2016 gründete ich unter dem Namen Léo Darbellay Productions meine eigene Produktionsfirma.»

 

 

Bis April 2018 tourte er also mit seiner ersten Bühneshow durch die Kantone Wallis, Freiburg und Genf, bis es für ihn an der Zeit war, ein neues Programm zu schreiben. «Bereits im Oktober des selben Jahres hat meine zweite Show ‹Point de vue› Premiere gefeiert. Das ging relativ fix. Aber mir war es wichtig, dranzubleiben, auch wenn das ziemlichen Zeitdruck bedeutete. Denn in dieser Branche gerät man sehr schnell in Vergessenheit», weiss Léo Darbellay.

 

In dieser Branche gerät man sehr schnell in Vergessenheit.

Alltagskomik trifft auf zeitgenössische Musik

Im neuen Programm kommen neben mehr Tanzeinlagen auch englischsprachige und jüngere Künstler wie Elvis, Mika oder Stromae vor, denn Léo Darbellay wollte mit seinem Entertainment ein breiteres Publikum ansprechen. Vor allem aber geht es darin um Beobachtungen im Alltag. Auch hier imitiert er, bis auf eine einzige Ausnahme, wieder nur gesungene und keine gesprochenen Stimmen.

 

Mein Humor ist harmlos und niemals böswillig.

 

Die einzige Person, die es in diese Rubrik geschafft hat, ist seine eigene Grossmutter. «Sie ist eine gutmütige, ältere Dame, die noch Patois spricht und mir regelmässig und ungewollt Anekdoten liefert, die ich in meine Auftritte einfliessen lassen kann.» Ein Problem habe diese damit keines. Sein Humor sei ja auch harmlos und niemals böswillig oder unter der Gürtellinie. Dieser Sinn für Humor ist im Übrigen auch abseits der Bühne noch zu spüren, auch wenn sich der 24-Jährige selbst eher als schüchtern und zurückhaltend bezeichnet.

 

 

Die Zusammenarbeit mit Gemeinden ist für uns sehr wertvoll.

 

Ursprünglich war geplant, dass Léo Darbellay am 2. Mai in intimem Rahmen vor 80 Zuschauern im Gemeindesaal Trient auftreten wird, was nun aufgrund der Coronavirus-Pandemie vorerst ins Wasser fällt. Eine solche Zusammenarbeit erachtet er aber auch für künftige Auftritte als ideal. «Im Wallis gibt es viele grosse Theater, im Vergleich zu anderen Kantonen aber praktisch keine kleinen Kabaretts oder Café-Theater. Deshalb ist diese Zusammenarbeit mit Gemeinden für uns sehr wertvoll, da diese oftmals über kleine, aber dennoch genug grosse Säle verfügen.» Der Schritt vom Amateur zum Profi sei nämlich eher schwierig, nur wenige Veranstalter würden das Risiko auf sich nehmen wollen, einem noch eher unbekannten Künstler eine Plattform zu bieten. Deshalb will er die Zusammenarbeit mit Gemeinden auch künftig aufrechterhalten. Denn so trage er nicht nur ein geringeres Risiko, sondern sei auch näher bei den Leuten.  

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