Urteil im Strafverfahren gegen Anni Lanz
Das Bezirksgericht Brig hat mit Urteil vom 7. Dezember 2018 die Basler Flüchtlingshelferin
Anni Lanz der Widerhandlung gegen das Ausländergesetz (AuG)
durch Förderung der rechtswidrigen Einreise in einem leichten Fall schuldig gesprochen
und zur Bezahlung einer Busse verurteilt. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Amt der Region Oberwallis, hatte Anni
Lanz vorgeworfen, am 24. Februar 2018 beim Grenzübergang in Gondo als Beifahrerin
mit dem von einer Drittperson gefahrenen Personenwagen in die Schweiz
eingereist zu sein und dabei den aus Afghanistan stammenden A. J. ohne gültige
Reisedokumente und ohne das erforderliche Visum mitgeführt zu haben. Mit Strafbefehl
vom 23. März 2018 hatte die Staatsanwaltschaft Anni Lanz der Widerhandlung
gegen Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG schuldig gesprochen und sie zu einer bedingten
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und zu einer Busse von Fr. 300.--
verurteilt. Dagegen hatte Anni Lanz Einsprache erhoben.
Das Bezirksgericht II in Brig hat mit Urteil vom 7. Dezember 2018 Anni Lanz der Widerhandlung
gegen das Ausländergesetz durch Förderung der rechtswidrigen Einreise
in einem leichten Fall (Art. 116 Abs. 2 AuG) schuldig gesprochen. Es erwog insbesondere,
dass der sog. „Schlepperartikel“ (Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG) auch auf Einzelpersonen
Anwendung findet, die einmalig und aus achtenswerten Gründen einem Ausländer
ohne Aufenthaltsrecht die Einreise erleichtern. Das Gericht ging davon aus, dass
die am 21. Februar 2018 erfolgte zwangsweise Überstellung von A. J. von der Schweiz
nach Italien rechtmässig erfolgt war und insbesondere nicht gegen die EMRK verstossen
hatte. Zudem verneinte es das Vorliegen eines Notstandgrundes bzw. des aussergesetzlichen
Rechtfertigungsgrundes der Wahrung berechtigter Interessen. In diesem
Zusammenhang erwog das Gericht, dass A. J. zwar an einer posttraumatischen Belastungsstörung
litt und sich deswegen auch wiederholt in psychiatrischen Kliniken in der
Schweiz aufgehalten und mehrere Suizidversuche unternommen hatte. Es verneinte
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aber, dass für ihn im massgebenden Zeitpunkt eine unmittelbare Lebensgefahr bestanden
hatte. Zudem erachtete es das Gericht als möglich und zumutbar, dass die für
A. J. notwendige medizinische Betreuung und weitere Hilfeleistungen auch in Italien
hätten organisiert werden können.
Aufgrund des geringen Verschuldens und der Tatfolgen sowie namentlich des Umstandes,
dass Anni Lanz aus rein humanitären Interessen gehandelt hatte, qualifizierte
das Bezirksgericht die Widerhandlung - im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, welche
das strafbare Verhalten noch als Vergehen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 AuG qualifiziert
hatte - als Übertretung bzw. als leichten Fall im Sinne von Art. 116 Abs. 2 AuG. Es
verurteilte Anni Lanz zu einer Busse in Höhe von Fr. 800.--, welche bei schuldhafter
Nichtbezahlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen umzuwandeln ist. Zudem
auferlegte es Anni Lanz die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 1‘400.--.
Das Urteil, welches den Parteien am 7. Dezember 2018 im Dispositiv zugesandt wurde,
ist noch nicht rechtkräftig. Die Parteien können innert zehn Tagen seit Zustellung
des Dispositivs beim Bezirksgericht Brig Berufung anmelden.
Das Bezirksgericht erteilt in diesem Fall keine weiteren Auskünfte.
Brig, 10. Dezember 2018
Michael Steiner, Bezirksrichter II