Verurteilungen im Fall Zermatt
Das Kreisgericht Oberwallis hat den Hauptbeschuldigten im Fall Zermatt wegen gewerbsmässigem Betrug und mehrfacher Urkundenfälschung im Amt zu einer teilbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die übrigen Angeklagten sind wegen Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug und/oder Urkundenfälschung mit Freiheits- oder Geldstrafen sanktioniert worden.
Der ehemalige kommunale Abteilungsleiter für die ARA und Wasserversorgung von Zermatt hat nach Überzeugung des Gerichts Rechnungen zulasten der Gemeinde gefälscht oder fälschen lassen, diese in seiner Funktion als Beamter anschliessend visiert und schliesslich der Gemeinde Zermatt zur Begleichung vorgelegt. Diese hat daraufhin die geforderten Zahlungen ausgelöst. Die drei Mitbeschuldigten haben bei der Abfassung der unwahren Rechnungen mitgewirkt und Gelder einkassiert. Zwei von den Mitangeschuldigten, ein Schreiner und ein Maler, haben ausserdem private Arbeiten für den Hauptbeschuldigten und Drittpersonen ausgeführt und den Werklohn mit Hilfe des Hauptbeschuldigten der Gemeinde in Rechnung gestellt. Das den Mitbeschuldigten zu Unrecht überwiesene Geld ist anschliessend teilweise an den Hauptangeklagten zurückgeflossen.
Die Gemeinde Zermatt hat ihre eigenen Vorgaben betreffend Rechnungsprüfung konstant verletzt. Die Verteidiger haben deswegen Freisprüche wegen der Mitverantwortung des Opfers gefordert. Dies erfordert nach Bundesgericht ein „leichtfertiges“ Vorgehen der Gemeinde. Die der Gemeinde übergebenen Rechnungen sind mehrheitlich professionell abgefasst worden. Der Hauptangeklagte hat seine Stellung innerhalb der Gemeinde ausgenutzt. Er vermag durchaus überzeugend aufzutreten. Auch organisatorische wie personelle Veränderungen innerhalb der Gemeinde Zermatt haben das deliktische Verhalten erleichtert. Letztere hat sich aus allen diesen Gründen nicht dermassen leichtfertig verhalten, dass die Angeklagten des Betrugs freigesprochen werden könnten.
Das Gericht erachtet es als erwiesen an, dass der Schwager für den Hauptbeschuldigten fiktive Rechnungen erstellt, die Beträge gegenüber der Gemeinde einkassiert hat und diese anschliessend grossmehrheitlich an seinen Bekannten weitergeleitet hat. Der Hauptbeschuldigte hatte gegenüber der Gemeinde keinerlei Anspruch für solche Zahlungen. Er hat somit einen Betrug begangen und Urkunden im Amt gefälscht. Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung und ein Freispruch wegen Betrugs erfolgt beim Schwager, weil dieser zwar bewusst falsche Rechnungen ausgestellt hat, jedoch glaubhaft dargelegt hat, er sei vom Hauptbeschuldigten falsch orientiert worden und habe ihm geglaubt, das Vorgehen sei so mit der Gemeinde abgesprochen worden. Der Schwager hat ausserdem teilweise Rechnungen gefälscht, welche nicht an die Gemeinde übermittelt worden sind, was eine Verurteilung ausschliesst. Schliesslich sind zwei Rechnungen für Fahrräder korrekt deponiert und bezahlt worden, was in diesen Fällen Freisprüche rechtfertigt. Seine Strafe ist eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je Fr. 150.--, entsprechend Fr. 18‘000.--.
Das Gericht erachtet es als erwiesen, dass der Angeklagte mit einem ortsansässigen Schreiner private Arbeiten über die Gemeinde abgerechnet und teilweise fiktive Beträge eingefordert hat. Es stellt zur Festlegung der Deliktssumme auf das Geständnis des Hauptbeschuldigten an der Hauptverhandlung ab und geht mithin davon aus, die beiden hätten gemeinsam Fr. 1'746'102.-- ertrogen. Der Schreiner ist dem Hauptangeklagten intellektuell deutlich unterlegen. Er hat ausserdem glaubhaft umschrieben, teilweise die Kontrolle über seine Angestellten an den Hauptangeklagten verloren zu haben. Es ist z.B. in der Hauptverhandlung von einem „Schattenwerkhof“ die Rede gewesen. Der Hauptbeschuldigte hat schliesslich in einer ersten Phase des Prozesses zugegeben, er habe das deliktische Vorgehen mehr initiiert als sein Komplize, was glaubwürdig erscheint. Der Schreiner wird somit wegen Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug und zur mehrfachen Urkundenfälschung verurteilt. Seine Strafe ist eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten.
Das Gericht sieht es als erwiesen, dass der Angeklagte mit einem ortsansässigen Maler private Arbeiten von der Gemeinde hat zahlen lassen. Selbst wenn der Beweiseinrede des Unternehmers gefolgt würde, wäre der Sachverhalt aufgrund der Zweitaussage dieses Beschuldigten, aufgrund des Geständnisses des Hauptangeklagten sowie aufgrund der übrigen Akten hinreichend nachgewiesen. Der Maler wird deswegen der Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug und zur mehrfachen Urkundenfälschung verurteilt. Seine Strafe ist eine bedingte Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu je Fr. 110.--, entsprechend Fr. 23‘100.--.
Der Hauptbeschuldigte hat neben den genannten Taten mit seinem Schwager, mit dem Schreiner und mit dem Maler auch selbstständig der Gemeinde fiktive Rechnungen gestellt und fiktive Spesenabrechnungen für sich und seine Mitarbeiter einkassiert. Letztere haben davon nichts gewusst. Der Hauptbeschuldigte hat schliesslich private Einkäufe über die Gemeinde bezahlen lassen. Er hat die bei ihm eingegangenen Urkunden visiert, was aus der Urkundenfälschung eine Urkundenfälschung im Amt macht. Der Hauptangeklagte wird aus allen diesen Gründen des gewerbsmässigen Betrugs und der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt schuldig gesprochen und zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt, wobei 12 Monate unbedingt vollzogen werden.
Das Gericht hat bei der Festsetzung der Strafe vergleichbare Fälle beachtet. Es hat auch nicht ausser Acht gelassen, dass sich die Gemeinde zwar nicht in einer den Betrugstatbestand ausschliessenden Leichtfertigkeit verhalten hat, die Betrügereien aber trotzdem verhältnismässig einfach und lange unbemerkt durchgeführt werden konnten. Das Verfahren hat ausserdem recht lange gedauert, diverse Delikte sind verjährt. Der Angeklagte hat schliesslich mehrheitlich kooperiert. Die übrigen Täter sind aufgrund derer geringeren Tatbeiträge und der für sie gültigen, teilweise deutlich niedrigeren Deliktssummen weniger streng sanktioniert worden.
Das Gericht hat sich bei der Festsetzung der Schadenersatzsummen mehrheitlich auf die umfangreichen Akten und Geständnisse der Beschuldigten berufen. Die Beschuldigten haften für die Taten, die sie gemeinsam begangen haben gegenüber der Gemeinde solidarisch. Das Kreisgericht stellt mithin fest, dass der Hauptangeklagte der Gemeinde Zermatt insgesamt Fr. 2'577'329.60 schuldet. Der Schreiner haftet im Umfang von Fr. 1'746'102.-- und der Maler im Umfang von Fr. 63'227.75 solidarisch mit. Diese drei Angeklagten werden nötigenfalls in einem separaten Zivilprozess die interne Aufteilung dieser Schulden klären müssen. Die Gemeinde Zermatt wird ausserdem in einem eigenen Zivilprozess mit dem Schwager des Hauptangeklagten beurteilen müssen, inwiefern dieser für die Deliktssumme haftet.
Das Gericht vermag aus den Akten nicht zu ersehen, ob das beschlagnahmte Geld oder inwiefern die beschlagnahmten Liegenschaften Deliktsgut bilden. Deren Einziehung mit der Argumentation, sie hätten einen deliktischen Ursprung, ist somit nicht möglich. Das Gericht hat der Gemeinde Schadenersatz zugesprochen und es erachtet es als angemessen, wenn sich die Gemeinde selbst um das Inkasso der zugesprochenen Gelder kümmert. Eine Einziehung von Geldern erfolgt somit nur, soweit es darum geht, Kosten des vorliegenden Strafverfahrens zu decken. Eine Vielzahl von Ordnern wird ausserdem aus Beweisgründen eingezogen. Die übrigen Beschlagnahmungen werden so aufgehoben, dass es der Gemeinde möglich sein dürfte, ihrerseits ein Inkassoverfahren einzuleiten.
Das vorliegende Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann beim Kantonsgericht angefochten werden.
Visp, 10. Mai 2017
Dr. Thierry Schnyder, Kreisgerichtspräsident